Mein erster Claude-Dialog
Wie eine Lagerverwaltung mich zur KI brachte
Von C64 zu Claude – ein weiter Weg
Meine erste Begegnung mit Computern hatte ich als Jugendlicher mit dem C64. Nach einer Ausbildung als Programmierer lag mein Schwerpunkt auf Cobol-Programmierung für IBM-Großrechner. In den folgenden Jahren beschäftigte ich mich mit CD-ROM-Entwicklung, PC- und Server-Bau und lernte dabei auch Netzwerkeinrichtung kennen. Später arbeitete ich jahrelang im Einzel- und Großhandel, immer mit Technikbezug.
Mein Interesse an Elektronik blieb bestehen – ESP, Arduino und Raspberry Pi faszinierten mich. Zwischendurch machte ich mich selbstständig mit einem Verlag für elektronische Publikationen und E-Books.
Letztes Jahr zu Weihnachten bekam ich einen 3D-Drucker geschenkt. Anfangs druckte ich nur ein paar Sachen für den privaten Gebrauch – mehr Spielerei als echtes Projekt.
Meine Frau besitzt einen Cricut Maker 3 und erstellt damit wirklich schöne handgemachte Karten. Zusammen mit Stanzmaschinen entstehen so individuelle Karten für Geburtstage, Ostern, Weihnachten und andere Anlässe im Freundes- und Familienkreis. Die Ergebnisse sind beeindruckend.
Das teure Zubehör-Problem
Für ihren Cricut brauchte meine Frau einen Stiftadapter für handelsübliche Stifte. Das Problem bei Cricut ist, dass das Original-Zubehör ziemlich teuer ist. Wir haben zwar im Internet entsprechende Adapter gefunden, aber ich dachte mir: So etwas kann ich auch selbst machen.
Also wandte ich mich an Gemini und fragte, ob er mir ein OpenSCAD-Skript für einen Universal-Stift-Adapter erstellen könnte. Das Ergebnis war durchaus brauchbar, aber ich musste ziemlich viel anpassen, damit der Adapter am Ende so aussah, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Vermutlich lag es daran, dass ich mich nicht präzise genug ausgedrückt hatte, oder Gemini hat meine Anforderungen nicht richtig verstanden. Trotzdem war es eine große Hilfe.
Nach dem Drucken schmolz ich ein Gewinde ein und schraubte eine Rändelschraube zum Feststellen des Stiftes hinein. Das Ergebnis funktionierte tadellos.

Vom Hobby zu eBay
Irgendwann kam mir die Idee, diese Adapter auch zu verkaufen. Es schien eine interessante Nische zu sein – es gibt durchaus Nachfrage, weil das Original-Zubehör so teuer ist. Außerdem gibt es manche Teile gar nicht zu kaufen, zum Beispiel spezielle Einsätze für die Ablagen beim Cricut, die dabei helfen, die Werkzeuge besser zu organisieren.
Auch die Karten meiner Frau fanden Anklang, also beschlossen wir, diese ebenfalls anzubieten.
Für die Rechnungsstellung suchte ich nach einer geeigneten Software und entschied mich nach einigem Vergleichen für Fakturama. Das Programm ist Open Source, kostenlos und erfüllt eigentlich alle Anforderungen für kleine Unternehmen. Es hatte nur einen Haken: Eine richtige Lager- und Bestandsverwaltung fehlte.
Die Suche nach einer Lagerverwaltung
Also begann ich zu recherchieren und suchte nach einer Lagerverwaltung, die auf die vorhandenen Daten von Fakturama zugreifen konnte. Ich durchforstete Foren, GitHub-Repositories und verschiedene Softwareverzeichnisse. Das Ergebnis war ernüchternd – ich fand einfach nichts Brauchbares.
Da ich bereits gute Erfahrungen damit gemacht hatte, eBay-Artikelbeschreibungen mit Gemini zu erstellen (auch beruflich hatte ich schon Produktbeschreibungen mit KI verfeinert), kam mir der Gedanke: Warum nicht eine KI fragen?
Allerdings war der Versuch mit Gemini bei der OpenSCAD-Entwicklung ziemlich mühsam gewesen. Kurz zuvor hatte ich einen Artikel über Claude AI gelesen, der sehr positiv über dessen Fähigkeiten als Programmierhilfe berichtete. Also beschloss ich, es damit zu versuchen.
Ich meldete mich an und gab meinen ersten Prompt ein:
Der erste Dialog
Ich: „ich möchte eine Lagerverwaltung mit Bestandshaltung erstellen die auf vorhande Daten von Fakturama zugreift.“
Claude: „Guten Tag! Ich helfe Ihnen gerne dabei, eine Lagerverwaltung mit Bestandshaltung zu erstellen, die auf vorhandene Daten von Fakturama zugreift.
Fakturama ist eine Open-Source-Software für Rechnungen und Geschäftsdokumente. Für eine Lagerverwaltung, die auf diese Daten zugreift, würde ich eine einfache Anwendung vorschlagen.
Ich werde Ihnen einen Prototyp für eine webbasierte Lagerverwaltung erstellen…“
Dann schrieb er live ein komplettes HTML/JavaScript-Programm.
Einfach so. Während ich zuschaute.
<!DOCTYPE html>
<html lang="de">
<head>
<meta charset="UTF-8">
<title>Fakturama Lagerverwaltung</title>
<!-- Komplettes CSS -->
</head>
<body>
<div class="container">
<h1>Lagerverwaltung</h1>
<button onclick="loadInventory()">Lagerbestand laden</button>
<button onclick="addProduct()">Neues Produkt</button>
<table id="inventoryTable">
<!-- Fertige Tabelle -->
</table>
</div>
<script>
// Funktionsfähiges JavaScript
// Mit meinen echten Produkten als Beispieldaten
</script>
</body>
</html>
Der WOW-Moment
Ich kopierte den Code in eine HTML-Datei. Öffnete sie im Browser.
Es funktionierte sofort.
Komplette Lagerverwaltung. Produkttabelle. Bestandswarnungen. Edit-Funktionen. Meine echten Cricut-Adapter standen schon als Beispiele drin.
Ich war total begeistert.
Die Ernüchterung
Der Chat ging noch weiter. Wir erstellten eine Datenbankanbindung, behoben Fehler.
Dann: „Chat-Limit erreicht… machen Sie in einem anderen Chat weiter.“
OK, nächster Chat. Wollte weitermachen, musste aber feststellen: Wir müssen von vorne anfangen.
Lektion 1: KI hat kein Gedächtnis zwischen Chats.
Da ich eh von vorne anfangen musste, wuchsen meine Anforderungen. Desktop-Anwendung in Python mit GUI. Mehr Funktionen.
Nächstes Chat-Limit.
Also buchte ich Claude Pro. Nicht aus Begeisterung – aus Notwendigkeit.
Was nach 4 Wochen übrig bleibt
Die Begeisterung für „sofortiges Code erstellen“ ließ nach.
✅ Was wirklich funktioniert:
- Schnelle Prototypen für einfache Tools
- Bessere eBay-Beschreibungen (verkaufen sich besser)
- Code-Erklärungen wenn ich nicht weiterkomme
- Brainstorming für neue Produktideen
❌ Was nicht so läuft:
- Komplexe Software braucht viele Iterationen
- Code funktioniert selten perfekt auf Anhieb
- Kein Gedächtnis zwischen Chats (nervt)
- Ich muss trotzdem mitdenken und verstehen
Aktuelle Projekte mit Claude-Unterstützung
Action Heat Pencil Adapter: Das ist derzeit mein Hauptprojekt. Action verkauft einen günstigen Heißprägestift (Heat Pencil), der sich aber nicht direkt im Cricut verwenden lässt. Ich entwickle gerade einen Adapter, der das möglich macht. Claude hilft mir dabei, das Design zu optimieren und verschiedene Varianten zu durchdenken.
Fixierhilfe für Kartenaufleger: Meine Frau kennt das Problem aus eigener Erfahrung – beim Aufkleben von Kartenauflegern verrutschen diese oft und das Endergebnis wird ungenau. Ich habe bereits einen funktionierenden Prototyp entwickelt, der nun mit Claudes Hilfe modularer und vielseitiger gestaltet werden soll.
Marktanalyse-Tool: Was ursprünglich als einfaches Tool zur eBay-Preisanalyse gedacht war, ist mittlerweile zu einem komplexen Monster-Projekt angewachsen. Es funktioniert in Teilen schon ganz gut, aber bis zur Fertigstellung ist noch einiges zu tun.
Ehrliches Fazit nach vier Wochen
Claude ist definitiv kein Wundertool, wie es manchmal dargestellt wird. Es ist vielmehr ein cleverer Assistent, der durchaus gute Ideen hat und hilfreiche Vorschläge macht. Aber die Realität sieht so aus: Ich muss weiterhin die richtigen Fragen stellen, der generierte Code funktioniert selten sofort perfekt, und am Ende muss ich verstehen, was ich eigentlich mache.
Trotzdem hat sich etwas verändert: Meine Produktentwicklung ist tatsächlich schneller geworden. Das liegt nicht daran, dass Claude magisch wäre, sondern daran, dass ich einen Sparringspartner habe, mit dem ich Ideen diskutieren kann.
Der Unterschied zu früher ist deutlich spürbar: Früher verbrachte ich Stunden damit, im Internet zu recherchieren, probierte verschiedene Ansätze aus und gab oft frustriert auf. Heute kann ich mit Claude diskutieren, Ideen entwickeln und vor allem schneller scheitern – um dann mit neuen Erkenntnissen einen besseren Ansatz zu versuchen.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Ich setze mehr Produktideen um, meine eBay-Texte werden besser (und verkaufen sich entsprechend besser), ich verbringe weniger Zeit mit Routine-Code und traue mich an komplexere Projekte heran. Aber es ist kein revolutionärer Game-Changer – es ist einfach ein nützliches Tool.
Was kommt als nächstes?
Den Action Heat Pencil Adapter möchte ich in den nächsten Wochen fertig entwickeln. Das wird mein erstes richtig komplexes Projekt, das von Anfang an mit Claude-Unterstützung entstanden ist.
Die Fixierhilfe soll ebenfalls optimiert werden – meine Frau testet schon den aktuellen Prototyp und gibt wertvolles Feedback aus der Praxis.
Beim Marktanalyse-Tool stehe ich vor der Entscheidung: Entweder ich führe es endlich zu Ende oder ich akzeptiere, dass es zu komplex geworden ist und konzentriere mich auf einfachere, aber funktionierende Lösungen.

Langfristig könnte ich mir vorstellen, auch andere Maker für die Möglichkeiten von Claude zu begeistern. Nicht weil es ein revolutionäres Wunderwerkzeug wäre, sondern weil es als Assistent und Sparringspartner durchaus nützlich sein kann – wenn man realistische Erwartungen hat.
P.S.: Der Universal-Stift-Adapter läuft übrigens immer noch sehr gut auf eBay. Manchmal sind die einfachsten Lösungen eben doch die besten. Aber dank Claude traue ich mich jetzt auch an kompliziertere Projekte heran.